Eduard KASPARIDES
Lebenslauf

 

Mein Werden und Sein

In einem von Süden und Norden freigelegenen Orte, der nach Westen und Osten von einer bewaldeten Bergkette begrenzt ist die sich bis Mährisch-Trübau hinzieht, wurde ich am 18.März 1858 geboren. Krönau hieß mein Wiegennest.
Mein Vater war eines Färbers Sohn in Politschka (Böhmen), wo seine Vorfahren seit 1702 ein Familienhaus, eine Färberei besessen hatten und auf Ökonomie betrieben. Da gerade im Jahre 1845, nachdem mein Vater von einer 6-jährigen Wanderschaft aus Deutschland, Dänemark und Russland zurückkam, in Krönau eine 22-jährige Witwe mit einer schönen Färberei und größerem Grundbesitz ihm empfohlen wurde, so entschloß er sich, das angestammte Familienhaus zu verlassen und in Krönau einzuheiraten. Meine Mutter Franziska (geb. Sequens) war schon ziemlich schwach, als sie mir als sechstes und jüngstes Kind das Leben schenkte. Ich habe sie auch nur ans Krankenbett gefesselt in Erinnerung, welches sie die letzten vier Jahre nur selten verließ und im Jahre 1866, wo ich 8 Jahre zählte, von ihrem Leiden erlöst wurde.
Dies war für mich bereits die Zeit, meinem unruhigen Temperamente die Zügel schießen zu lassen, und so verfertigte ich mir als Neunjähriger allerhand Unterhaltungsgegenstände, so den größten und besten Schlitten aus harten Brettern, einen Schlittschuh aus einer geradegestreckten Sichel ans Holz montiert, mittels welchem ich ganze Züge kleiner Schlitten zu lenken vermochte. Auch einen regelrechten Dietrich aus einem langen Drahtstift hämmerte und feilte ich, um einen Kasten meines ältesten Bruder aufzusperren und ganz einfache Zeichnungen ansehen zu können. Dies war der erste, sich regende Funke in der Richtung meiner Zukunft, denn sonst zeichnete ich nur alles Wilde auf der Schiefertafel.
So wurde ich 12 Jahre und bestimmt etwas Rechtes zu lernen. Da meine drei älteren Brüder bereits alle bürgerliche Berufe gewählt hatten, so mußte ich - nolens volens - an die höheren Schulen. So kam ich nach Politschka in die 5. Volksschulklasse und war unter allen erbgesessenen Verwandten meines Vaters gut aufgehoben und bei einer Tante Klimes untergebracht. Das erste Jahr ging gut vorüber und so kam ich in das Real-Gymnasium nach Mährisch-Trübau, wo es mir schon im ersten Jahre eine Lust war, mich im freien Zeichnen austoben zu können und mir die schönsten und schwierigsten Frauenköpfe spielend von der Hand gingen. Im zweiten Jahr kam ein systematisches Tafelzeichnen, dem ich gar keinen Reiz abgewinnen konnte und so ging ich im dritten Jahre wieder nach Politschka, wo ich freie Wahl hatte und mir Professor Slerka sogar Bilder aus seiner Wohnung zum Kopieren gab. Unter anderem malte ich auch einen schiffbrüchigen Greis nach einer Tuschezeichnung, dessen linke Hand das Ruder falsch ergriff, welche ich nach meiner eigenen im Spiegel studierte und umkehrte. Der Professor sah mich deshalb verblüfft an, aber noch mehr, als derselbe Extrastunden im Modellieren gab, die mir Armen zu teuer waren, weshalb ich herging, mir Töpferton kaufte und meine Porträtmaske nach dem Spiegel machte. Am Jahresschluß war allgemeine Ausstellung unter anderem auch ganz zersprungene Blätter in Ton. So holte ich meine Maske, die ohne jeden Sprung und sogar ähnlich war und zeigte sie dem Professor, der fragte, wer dies gemacht. Er reihte sie nun unter die anderen Arbeiten, ließ mich aber ohne jede Aufmunterung und gab mir auch nicht bekannt, daß ich mich in Wien ausbilden könnte, wo er ja selbst erst aus einem Museumskurs kam. So blieb ich ein ganzes Jahr in Krönau, mußte alle Feldarbeiten mitmachen, dreschen, laden, doch da ich gesund und kräftig war, stärkte dies mir meinen Körper. Im Winter rieb ich mir mit Firnis Ölfarben, machte mir Borsten und Rindshaarpinsel, welch letztere erst 10 Jahre später für Ölmalerei in Handel kamen, und malte frisch drauflos, große Bilder nach kleinen Holzschnitten aus illustrierten Blättern. Auch eine Madonna nach eigenem Entwurf.
Inzwischen schrieb der jüngste Onkel Emanuel aus Politschka, daß in Wien eine Malerakademie sei, wo ich mein Talent erproben könnte. Es wurde beschlossen mich dorthin zu schicken, nachdem ein Professor Färber in Leitomischel, zu dem wir fuhren, mich als sehr fähig befunden hat. So reiste ich am l.Oktober 1875 in die große Welt, dem Ziel meiner Sehnsucht. Eine innere Erregung hatte mich ergriffen und dieser ist es wohl zuzuschreiben, daß ich 8 Tage vor der Abreise einen psychologisch hochinteressanten Traum hatte. Ich sah ein herrliches Bild mit schönen, lebensgroßen Frauen, von einer Farbenpracht, wie es bis dahin nicht existierte und hatte ich doch bis dahin nur die nachgedunkelten, alten Barockbilder in der Kirche gesehen.
In Wien angekommen, sollte ich meinen älteren Bruder Ernst, der in Floridsdorf Stellung hatte, treffen. Dies war aber nicht der Fall, da er zur Assentierung mußte und sich in Wien ungemeldet aufhielt. So ging ich an die Akademie in die Annagasse im 1.Bezirk, wo ich erfuhr, daß der Schulbeginn erst am 15.0ktober sei. So setzte ich mich abends wieder auf den Zug und kam um 1 Uhr nachts in Brüsau an, von wo ich noch 2 Stunden zu Fuß nach Hause marschierte.  Meine Eltern waren sehr erstaunt, wie auch alle Bekannten, daß ich so rasch wieder heim kam. Am 15.Oktober versuchte ich zum zweitenmal mein Glück. So gelangte ich ans Aufnahmeforum dem der junge und übereifrige Prof. Grippenkerl und Prof. Wurzinger vorstanden. Ersterem haben meine vielen Malereien nicht gefallen und wies mich ab. Nur Prof. Wurzinger, ein besser sehender tröstete mich und schickte mich in den Vorbereitungskurs zu Prof. Grandauer. Hier machte ich rasche Fortschritte und nach dem ersten halben Jahr schickte mich dieser wieder an die Akademie, da ich bei ihm nichts mehr lernen könnte. Aber Grippenkerl war wieder nicht gesonnen mich aufzunehmen, bis ich ihm die Äußerungen Grandauers mitteilte. Darauf bekam ich die Sappho in Gips als Probekopf zu zeichnen. Dies war auch der beste Antikenkopf den ich während des nächsten halben  Jahres machte. Der Grippenkerl wollte alles mit dem Finger verwischt haben, wodurch die Kreidezeichnung körnig grob wurde und den feinen Ton verlor. Mir stand aber der Himmel schon voller Geigen als ich nun Schüler der Akademie wurde. Das karge Leben, das ich führen mußte, denn ich hatte nur 25fl fürs ganze Monat und mußte davon Wohnung, Kost und alle sonstigen Auslagen bestreiten, bedrückte  mich meist, denn ich sah, bei Brot und Wasser und nur zu Mittag eine kleine Portion Fleisch mit Gemüse ein Brot mit Suppe in der Volksküche, was 15Kr. kostete, dennoch rotbackig und gesund aus. Nun ging's mit Eifer an die Arbeit, die mich nach 1½ Jahren bei Grippenkerl zum Akt bei Prof. Wurzinger führte. Dies freute mich schon mehr, und besonders als ich im dritten Jahre zum Malen kam, wo mir Naturköpfe gestellt wurden. Ich machte da gute Fortschritte und kopierte nach drei Monaten Malunterricht mir die Dame mit den großen Spitzenkragen in der akademischen Galerie, die Prof. Wurzinger so gut gefiel, daß er sie mir abkaufen wollte. Von da kam ich zum Aktmalen zu Prof. Karl Blaas. Dort verlernte ich beinahe das, was ich in drei Monaten bei Wurzinger lernte. Nun kam ein großer und glücklicher Wendepunkt. Ich hatte nämlich die von meiner verstorbenen Mutter mir zugedachten 800f1. in den 4 Jahren aufgebraucht. Und da wollte es der Zufall, daß meine Heimatkirche restauriert wurde und die schönen Fresken auch einer Reinigung und Ausbesserung bedürftig waren. Dies war mein erster Auftrag und ich erledigte ihn mit viel Geschick, wie ich ihn nach reiferer Erfahrung auch nicht besser hätte machen können. So verdiente ich während der Ferien in 10 Wochen, wo Riesenflächen zu bewältigen waren, nette 700fl. und mit diesen trat ich bei Prof. Trenkwald in die Spezialschule. Nun hieß es Bilder malen und ich entwarf auf Verlangen des Professors eines Abends auf einem kleinen Stück Schreibpapier meine erste Komposition "Eine Christenverfolgung unter Nero in Rom". Diese entsprach  und Trenkwald wies mich an, die nötigen Studien dazu zu machen, d.h. Zeichnungen nach der Natur auf Papier, nach denen man dann erst malte. Daß da die Farbengebung im Bilde sehr schlecht wegkam, konnte zu dieser Zeit und namentlich bei Trenkwald nicht eingesehen werden, obwohl bei Prof.L.Karl Miller bereits alles nach der Natur aufs Bild gemalt werden mußte. In der Jahres-Schulausstellung erregte mein Bild die Aufmerksamkeit des Direktors Eitelberger vom österr. Museum und dieser gab mir, nachdem er von meiner Mittellosigkeit hörte, eine Madonna als Altarbild zu malen. Diese wurde zur Zufriedenheit ausgeführt und nun sollte ich die Auferstehung Christi als Gegenstück malen. Aber ein Pechvogel wie ich war, bekam mein guter Professor die außenstehende Protektion genug, fand auf einmal die Arbeit ungenügend und übergab sie an seinen Liebling Melcher, einen hübschen Kollegen der in der Kunstgeschichte vergeblich gesucht werden wird, dafür alte Kirchenbilder schlecht restaurierte. Ich konnte die 200fl. die für jedes Bild ausgesetzt waren leicht verschmerzen, da ich damals schon gezwungenermaßen Porträts nach Photographien malte die mir ein ruhiges Weiterstudieren ermöglichten.
Im zweiten Jahr entstand eine "Hungersnot in Rom" und eine lebensgrosse "Grablegung Christi". Im dritten "Neros letzte Augenblicke" und "Eine junge Frau im Kerker", die ich schon damals verkaufen konnte. Im vierten Jahr wurde die Sache etwas kritisch. Ich entwarf nach dem Roman "Die letzten Tage von Pompeji" Bilder, das blinde Blumenmädchen "Nydia" und als ich bereits die lebensgroße Figur von vorne gesehen sitzend, vollständig zum Malen fertig gezeichnet hatte, fragte ich Trenkwald, ob es nicht gut wäre die Unterschenkeln etwas zu verlängern, um die Figur schlanker in Erscheinung zu bringen, was er mir auch anriet. Ich gab gegen 4cm zu, doch fand es der Professor noch ungenügend, sodaß ich noch 2cm zugab. Allein auch das genügte ihm nicht, obwohl ich ohne meine Bemerkung hätte gleich ans Malen schreiten können. Doch eine weitere Verzeichnung, die schon stark ins Auge gesprungen wäre wollte ich nicht verantworten und so fing ich an zu malen. Er aber war sehr erbost, als ich ihm auf sein drittes Verlangen verneinend antworten mußte, und stellte seinen täglichen Besuch so lange ein, als ich an diesem Bilde malte, wobei er bemerkte, wozu ich bei ihm sei, wenn ich seinen Forderungen nicht nachkomme. Dies sollte mich aber nicht abhalten das Bild fertig zu machen. Erst im 2.Semester, als der Hofpreis ausgeschrieben wurde, machte ich eine neue Skizze "Gefangennahme Kaiser Maximilians in Brügge" und als dies Trenkwald durch den Vorhang bemerkte, kam er wieder zu mir, und frug mich, was ich da mache, was ich ihm erklärte. Er ließ mich dies ausführen und es entstand mein größtes Bild mit 10 lebensgroßen Figuren, welches mir Baron Offer... in Brünn drei Jahre später um 450fl. abdrückte.
Ich ging nun von der Akademie weg, obwohl ich noch ein fünftes Jahr hätte bleiben können, da ich mit der Ungunst einiger Professoren zu kämpfen hatte, so daß ich auch keinen Schulpreis erreichen konnte, und wandte mich nach München, wo schon zwei meiner Freunde, Koloman Deri und W.Löwith, ein Jahr früher hingingen. 1500fl., die ich mir die 4 Jahre Spezialschule ersparte, sollten mir dies ermöglichen. Nun sollte ich frei schaffen, aber ein schwerer Weg lag vor mir. Die Zeit der künstlerischen Evolution schlief, nirgens war ein Anhaltspunkt, der mich hätte begeistern, oder auch nur befriedigen können. Die Spezialisten der Piloti-Schule, wie der Wiener Makart, Gabriel Max, Defreger, alle Österreicher, waren für sich abgeschlossene Größen, auch durfte man nicht zum Nachbeter werden. Aber es hieß verdienen und so warf ich mich, wie dutzende Anfänger in München, auf die Genre-Malerei, im Sinne Defregers, was auch vom Ausland viel gekauft wurde. So enstanden rasch nacheinander Bilder mit liebäugelnden und schmollenden Mädchen und frischen, gesunden Burschen mit Kniehosen. Diese wanderten alle in die permanente Ausstellung am Königsplatz. Aber der Erfolg ließ auf sich warten. Nur eines "Die schlimme Liesl" eine lebensgroße Halbfigur, verkaufte ich gleich, die anderen dagegen dunsteten an die sieben ..., den ganzen Sommer, ohne einen Abnehmer zu finden. Inzwischen schrumpften meine Ersparnisse zusammen, und ich entschloß mich nach 11-monatigem Aufenthalt wieder nach Wien zu gehen, wo ich durch die Porträtmalerei wenigstens meine Existenz sichern konnte und irgend einen Weg zum Aufstieg finden zu können glaubte. Kaum ein Monat hier anwesend, bekam ich vom Sekretär Paulus der Münchner Künstlergenossenschaft die Nachricht, daß sämtliche Bilder mit einem Untergebot verkauft sind, wenn ich dasselbe annehme. Selbst auf ein schon zwei Monate vorher zurückgezogenes, machte er mir ein Angebot und als ich den Preis erhöhte, war er auch damit einverstanden. Hier sieht man, wie die Macht eines solchen Menschen den Strebenden aus der Bahn werfen kann, indem er die verkauften Arbeiten nicht gleich meldet, sondern erst zum Schluß auf alle ein Untergebot versucht, was ihm, in der gewöhnlichen Notlage solcher Anfänger, auch zumeist gelingt. Nun bekam ich wieder auf einmal mehr Nährpfennige und konnte demnach auch dem freien Streben mehr Aufmerksamkeit schenken.
So entstanden weitere Genre-Bilder, worunter "Die Dorfpolitiker" die außerordentlich im Detail durchgeführt waren, und das ich im Künstlerhaus ausstellte. Da es nicht verkauft wurde sandte ich es mit noch einem gleichgroßen nach München. Dort wurden beide von einem Händler aus St.Franzisko gekauft, für welchen ich jährlich zwei derartige Bilder zu malen hatte. Dies dauerte jedoch nur einige Jahre und inzwischen hatte ich auch die Porträtmalerei nach Photographien aufgegeben und so stand ich anfangs der 90-ger Jahre ohne Einnahmen und machte bis zum Jahre 1896, 1400fl. Schulden. Da kam ein rettender Engel, in der Gestalt meines früheren Freundes und Kupferstechers Frank in Petersburg. Von diesem empfohlen, bekam ich den Auftrag, die Zarin für ihr Regiment zu porträtieren. Der eigentliche Auftraggeber war der dortige Hofphotograph Passetti, welcher den Hauptgewinn einstrich und mich für ein drei Meter hohes Bild mit 700fl. entlohnte. Hiezu machte ich Studien im Palais und eine solche der Regimentsfahne in Zarkoje Selo, was sehr interessant war. In einem Monat war das Bild fertig und da es befriedigte, mußte ich noch ein Kniestück davon kopieren. Außerdem malte ich noch eine Großfürstin und zwei Privatporträts. Nach zwei Monaten abwechslungsreichen Aufenthalts kam ich mit 1500fl. netto in Wien an, und auch hier begann sich nun manches zu wenden. Zugleich verkaufte ich zwei größere Aktbilder um 1400fl. nach London und bekam 4 Porträts á 100fl. zu malen. So war ich wieder über Wasser und konnte beginnen, die bis dahin gemachten Beobachtungen klarer auszugestalten. In Petersburg fielen mir die herrlichen Abendbeleuchtungen auf, die Anfangs Mai schon ziemlich lange anhielten. Eine ungeahnte Sehnsucht packte mich, dieselben festzuhalten, und da ich gelernte hatte alles nach der Natur abzumalen, wie es akademische Vorschrift war, so entschloß ich mich im Jahre 1897 nach Stockholm zu gehen, und im hohen Norden die anhaltende Dämmerstimmung der Mitternachtssonne mit Pinsel und Platte auf die Leinwand zu bannen. Der Zufall wollte es, daß gerade in Stockholm eine große internationale Kunstausstellung war, wo nur das arme Österreich nicht vertreten, sonst aber herrliche Werke aller Länder, unter anderen auch schon Anklänge von abendlichen Stimmungsbildern einiger Nordländer mir einen tiefen und für die Zukunft richtunggebenden Eindruck hinterließen. Leider konnte ich mich dort nicht verdolmetschen, Ausflüge in die seenreiche Umgebung zu machen und ein nicht weichen wollender Magenkatharr drängte mich bald wieder zur Abreise, blieb aber dafür einige Wochen in Stralsund, von wo ich auch einige Studien mitbrachte. Aber diese waren noch nicht der Wiederhall meiner, von tiefer kommenden Empfindungen.
Nach Wien zurückgekehrt, zog es mich nun gewaltig in die freie Natur hinaus, und besonders der Herbst mit seiner Farbenpracht berauschte mich. Die herrliche, abwechslungsreiche Umgebung Wiens wurde nun das Feld meiner abendlichen Wanderungen, denn diese zog mich an, und je mehr die klaren Umrisse der Gegenstände verschwanden, weich und zauberhaft wurden, desto mehr Sehnsucht empfand ich, gerade dies beinahe Unfaßbare wiederzugeben. Doch sowas ließ sich ja nicht vor der Natur malen - so versuchte ich es aus der Erinnerung und dazu gab mir ein Abend auf der Reichsbrücke die Gelegenheit. Ich kam gerade von der alten Donau, wo ich eine kleine Naturstudie rein akademisch malte, als mir auf der Brücke angelangt, ein unbeschreiblicher Farbenzauber entgegenleuchtete. Die Sonne war gerade hinter dem Leopoldsberg untergegangen, einige orange und hell leuchtende Wolkenstreifen zogen sich gerade herauf, die weich abgetonte Luft, die hell, nach oben immer dunkler wurde, alles dies spiegelte sich perlmutterartig in der breiten Donaufläche und dazu kamen noch plötzlich die großen Bogenlampen vom Lagerplatz der Nordbahn, sodaß dies alles wie ein Märchen auf mich wirkte. Ich konnte mich nicht trennen, und starrte in diesen Farbenzauber, bis mich die allzugroße Dunkelheit nicht mehr viel sehen ließ. Wochen vergingen und eines Morgens nahm ich eine größere Leinwand 56-68cm und versuchte diesen Farbenrausch sichtbaren Ausdruck zu verleihen. Am Abend desselben Tages hatte ich mich ausgetobt, allein mir fehlte das Urteil, ist es etwas oder nicht und stellte die erste Studie dieser Art in den Winkel. Erst nach einem Jahr, wo ich ein zweitesmal dieselbe herrliche Abendbeleuchtung von der Reichsbrücke hatte, sah ich mir diese wieder eingehend an, nahm am anderen Morgen die alte Studie sofort her, um zu sehen wie weit ich die Farben und Effekte erreicht hatte und verwandte noch den zweiten Tag mit der Korrektur. So machte ich nun noch einige Spätdämmerungen und brachte diese Gedächtnisstudien im Herbst 1898 nebst anderen Naturstudien zur 1.Studien- und Skizzenausstellung, die ein Teil der jüngeren Kollegen veranstalteten (im Künstlerhaus). Als ich meine Arbeiten unter anderen hängen sah, war es mir sofort klar, welchen Weg ich von nun zu gehen habe. Darin wurde ich noch bestärkt, daß sie dem kaufenden Publikum und auch den Kollegen gefielen. So warf ich mich mit Feuereifer auf die Landschaft und da ich gerade auch das Radfahren erlernt hatte, fuhr ich allabendlich in den Prater, von einem Motiv zum anderen. Anfangs hing ich noch stark an dem Motiv der Natur, aus akademischem Drill, fing aber schon das nächste Jahr an, diese Studien bildlicher, durch freie Komposition zu gestalten. So war ich in der 2.Studien- und Skizzenausstellung schon mit 12 Arbeiten vertreten, die alle ihren Käufer fanden. In diesem Herbst 1899 machte ich auch eine große Aquarellstudie vom Heustadelwasser im Prater, nach welcher ich 14 Tage später meine erste größere Landschaft 115-150cm begann und zur Frühjahrsausstellung 1900 brachte. Ich bekam darauf die kleine goldene Staatsmedaille und Ankauf vom k.k.Unterrichtsministerium. Nun war ich auf einmal ein geeichter Landschaftsmaler. Mit allen meinen früheren größeren figuralen Arbeiten, wie Pieta, Magdalena am Leichnam Christi (später vom Brünner Museum um 800fl. angekauft), Auferweckung von ... Töchterlein und besonders zwei ernst durchdachten Bildern "Das verlorene Paradies" und "Christus und die Mühselig und Beladenen", konnte ich diesen Erfolg nicht erringen. Und nun kam er sozusagen über Nacht.
Von nun ab durchströmte mich ein gewaltiges Sehnen und Ringen alles dies Geschaute festzuhalten, zu verinnerlichen, und aus tiefstem Empfinden wiederzugeben. Es war mir eine Offenbarung, eine geistige Wiedergeburt zu sehen, wie durch fortgesetzte Erhöhung und Verstärkung der Ton- und Lichtwerte, die ich gespannt arbeitend auf mich einwirken ließ, wie sich die Bildfläche allmählich in die Wirklichkeit verwandelte. Ich hätte nie geglaubt, daß sich derartiges aus dem Gedächtnis so leicht und, mit der Zeit, spielend wiedergeben ließe. Wie viele Wege führen nach Rom?! So führte mich auch mein, aus dem Drange innerster Ergriffenheit vor der gewaltigen Schönheit der abendlichen Natur geleitet, zum Ziele. Stundenlang versank ich wie traumverloren im Anblick des brandenden Meeres, eine bewegte Luft mit allen ihren mir anfangs unfaßbaren Nuancen konnte mich zu Tränen rühren, ebenso das in glühendem Farbenzauber daliegende Gestade von Ragusa, von der Insel Lacroma aus gesehen. Unmöglich war es mir anfangs dies alles gleich bildlich zu verwerten.
Aber es war durch die so starke Erschütterung meiner Nerven in irgendeiner Gehirnzelle so fest eingestanzt, daß es sich nachträglich ganz unbewußt ins Gedächtnis schlich, ohne zu wissen wo ich diese Stimmung gerade gesehen. So erging es mir, als ich die "Klassische Landschaft" mit der links sitzenden schönen Griechin malte. Erst nach einem Jahr der Vollendung des Bildes, fiel mir ein, daß ich darin die glühende Abendstimmung von Ragusa's Gestade gemalt hatte.
Ich muß zurückkehren zum ersten Jahr meines Erfolges 1900, da sich noch in diesem Jahr besondere Ereignisse im Künstlerhause abspielten. Die Pariser Weltausstellung war vorüber und unser Delegierter, Architekt Urban, wurde von seinen Fachgenossen aufs heftigste, wegen zu eigenmächtigen Vorgehens, angegriffen. Er fürchtete die Folgen und so schmiedete er mit seinem Schwager Heinrich Löffler, ein durch seine Redegewandtheit gefürchtetes Mitglied des Künstlerhauses ein Komplott, die ganze junge Schar neuer Mitglieder, die erst durch ihre 2.Studien- und Skizzenausstellung großen Erfolg errungen hatte, dem Künstlerhaus abwendig zu machen und eine neue Vereinigung, den nachträglichen Hagenbund zu gründen.
Urban, der in Paris mit Hofrat Wiener vom Unterrichtsministerium sehr vertraut wurde und durch welchen er für den Hagenbund alle Förderungen, wie Secession und Künstlerhaus zugesprochen bekam, hatte dadurch leichte Arbeit. Mit großem Redeschwall wurde uns eine goldene Zukunft in Aussicht gestellt, im freien künstlerischen Schaffen konnte nun jeder sein Bestes geben, sodaß der Entschluß bald gefaßt war und an die 40 Mitglieder des Künstlerhauses trennten sich, kaum drei Jahre nach dem Abfall der Secessionsmitglieder, von demselben. Zum 2. Mal wurde eine starke Bresche an die alte Kunststätte gelegt, sodaß nur noch die ganz gemäßigten Alten zurückblieben.  Hier muß ich auch zur Gründung der Secession einige Worte verlieren, damit die Anschauungen dieser Neuerer nicht in Vergessenheit geraten. Die großen Macher dieser Bewegung waren Moll und Engelhart, welche nach einigen vertrauten Besprechungen die konstituierende Versammlung abhielten. Es war bereits bestimmt, welche Größen als Mitglieder dieser neuen Vereinigung angehören sollten. Und so geschah es, daß viele alte Kollegen aus der Hagengesellschaft, die seit der Akademiezeit einen Stammtisch im blauen Freihaus hatten, nicht für würdig befunden wurden, unter anderen auch ich, obwohl ich bereits Mitglied des Künstlerhauses war. Es kam damals Kupferstecher Schirböck, der die ersten beratenden Sitzungen der Secession noch mitmachte und dafür eintrat, daß alle Mitglieder der Hagengesellschaft aufgenommen werden, weshalb auch er fallen gelassen wurde, zu einer jahrelangen Trennung. Ernst Stör gelang es nach 10 Jahren wieder aussöhnend zu wirken und so waren nun Mitglieder der Secession, des Künstlerhauses und des Hagenbundes in der Hagengesellschaft wieder vereinigt. Wer hätte wohl einstens der fröhlichen, oft überschäumenden Tischgesellschaft unseres alten Nährvaters Hagen diese Entwicklung zugetraut?
Nun kam das Ringen nach künstlerischer Vervollkommnung, nach freier, individueller Entwicklung, was mir insofern sehr leicht wurde, da ich bereits einen mir selbst geschaffenen Weg ging, der von Erfolg gekrönt wurde und den ich nun mit aller Hingebung und Kraft fest im Auge zu halten hatte, um zum nie geahnten Ziele künstlerischer Vollkommenheit zu gelangen.
Ich hatte im Frühjahr 1900 schon meine zweite größere Landschaft "Mondnacht im Gebirge" vollendet und diese, es war noch vor unserem Austritt, mit zur Internationalen nach Berlin genommen, wohin ich als Ausschußmitglied und Juror von der Genossenschaft delegiert wurde. Selbst der große Menzel sprach sich lobend über die fliehenden Wolken aus und fand die ganze Stimmung sehr wirkungsvoll. Dies alles war mir schon ein Beweis, daß ich auf gutem Wege war und nun galt es, der Natur fest an den Leib zu rücken.
Der Hagenbund hatte damals im Herbst 1900 noch kein Heim, die Zedlitzhalle war noch im Umbau, und so stellten wir bei Mith.. aus, wo ich mit den "Glühwolken" den besten Platz bekam. Ich malte dann eine gleiche Stimmung, ein Pappelmotiv aus dem Prater, welches von der Gemeinde Wien angekauft, und vorerst zur Münchner Internationalen geschickt wurde, wo wir korporativ ausstellten. Ich hatte demnach überall Erfolg mit meinen, noch von niemandem gebrachten Stimmungsbildern. Aber ich sollte nicht ganz glücklich und zufrieden werden, denn es stellten sich bald Mißbräuche unter Urbans und Löfflers Leitung ein, welch Letzterer unser erster Vorstand wurde. Beim Umbau der Zedlitzhalle, welchen Urban führte, sollten 200000 Ziegel beschafft werden und diese lieferte uns auf Pump, der Schwiegervater unseres Mitgliedes Golz, Steinmetzmeister Hauser. Bei einer Sitzung, nach Vollendung des Hauses, erklärte Urban plötzlich, daß er 400000 Ziegel zum Umbau gebraucht hätte und es müßten zwei Mitglieder zu Hauser, um unseren Dank hiefür auszusprechen. Auf meine Frage, wozu er um doppelt soviel Ziegel benötigt hätte, erwiderte Urban, daß er die drei Ziegel starken Pfeiler zu einander in Gleichung gebracht habe, und deshalb die ein Ziegel starke Zwischenmauer von Grund auf drei Ziegel stark aufbauen müßte. Ich war damals mit Hajda, Golz und Urban im Bauausschuß. Doch hatten wir nur zwei Sitzungen die negativ verliefen, da Hajda immer mit mir, Golz jedoch mit Urban stimmte, worauf diese eingestellt wurden. Ich machte daher die Einwendung, daß er doch die alte Mauer hätte stehen lassen können und die neue zwei Ziegel starke von außen nur anzufügen gewesen wäre, worauf mir Urban erwiderte, daß dies gegen jede Bauregel und ihm vom Bauamt auch nicht bewilligt worden wäre. Auf das hin ging ich sofort zum Bau und fand daß Urban nur eine Ausrede vorschützte und es so machte wie ich eben erwähnt hatte. Ich sah daraus, daß er gelogen und vielleicht die Hälfte Ziegel für einen anderen Bau lieferte und sich bezahlen ließ. Ich teilte meine Beobachtungen zuerst dem Ausschuß, außer Löffler und dann, als ich nichts erreichte, allen anderen mit, aber auch da hatte ich keine Unterstützung. Ich konnte daraus ersehen, aus was für Charakteren eine solche Vereinigung zusammengesetzt ist und wurde sehr trüb gestimmt. Es gab da die Macher, hier Urban und sein Schwager Löffler, dann einige Schaffende, die warm an der Krippe sitzen wollten, oder indifferent waren und die Schwächeren, die froh waren, mittun zu können, und daher alle in ein Horn bliesen. So stand ich ganz allein, auch da noch, als eines Tages Urban in der Sitzung zum Besten gab, im Künstlerhaus sei alles möglich, er habe mit Wilda, weil es notwendig war, das gefälscht. Dies war mir genug und ich stand, wenn auch ganz allein in Opposition gegen Urban. So hielt ich es nicht lange im Hagenbund aus, da ich auch erfuhr, daß man Käufer von meinen Bildern abredete. Im Frühjahr 1904 trat ich aus und ging wieder ins Künstlerhaus. Im Herbst desselben Jahres hatten auch noch 14 andere genug und kamen ins Künstlerhaus zurück. Hier hatten inzwischen Egger Lienz,.off.geller und Tomec die Ziegel an sich gerissen. Sie waren anfangs im Hagenbund auch gegen Urban, und dieser wollte sich durch die Aufnahme der Holitzer Gruppe, 20 jüngere Leute, eine Majorität verschaffen, was obige fürchteten und die Fahnenflucht ergriffen. Im Künstlerhaus hatten sie leichtes Spiel und so saßen sie abwechselnd im Ausschuß und Jury, Geller durch 20 Jahre, obwohl er so talentlos war, sein eigenes Bild gut hängen zu können, was ich ihm schließlich einmal vor dem Plenum bewies. Einige Jahre vergingen in welchen ich fleißig arbeitete und so tatkräftig wurde, daß ich 1908 mir selbst von meinen Gegnern die Karl Ludwig Medaille ("Dammbruch nach dem Gewitter") und 1912 die große Goldene auf das Bild "Ein warmer Oktoberabend" erkämpfte, welches auch noch vom k.k.Unterrichtsministerium um 8500Kr. durch den Kunstidioten Sektionschef Förster ......... angekauft wurde, obwohl ich 12000 verlangte. Inzwischen hatte ich auch bei einer Internationale in Düsseldorf eine 1½ Meter große "Elegie an Böklin" verkauft, eine sehr ernste und getragene Arbeit. 1913 übersiedelte ich von der Wiedner Hauptstrasse 114, wo ich 17 Jahre mein Atelier hatte, in die Wohllebengasse 8 im 4. Bezirk, wo ich in einem Neubau mir zwei schöne Ateliers mit Nebenräumen entwarf und ausführen ließ. Ich konnte nun meinem  Wunsche, mir diese schön herzurichten allmählich nachkommen und fing an mir alte Biedermeiermöbel und manches andere schöne Dekorationsstück zu erwerben.  Die finanziellen Verhältnisse wurden von nun ab immer besser und so dachte ich sogar an ein, ich nannte es Luftschloß am Cobenzl, welches ich mit zwei Fassaden-Plänen bis ins Detail entwarf, doch da kam der Krieg und es blieb bis heute ein Luftschloß.
Von den Studienreisen, die in diese Jahre fielen, war die fruchtbarste die nach Ragusa. Ich ging zwar noch ein zweitesmal an die Nordsee, aber die Ausbeute war gering. Auch von einer Romreise mit der Familie Ingenieur Collmann, wo wir von dort nach Neapel, Capri, Sorent, Amalfi und Pompeji fuhren, hatte ich wohl viele herrliche Eindrücke, aber nichts Positives, was ich hätte bildlich gestalten können, mitgebracht. Aber mit welchen Gefühlen innerlichen Entsagens denke ich heute am 16.Feber 1921 daran wie paridiesisch frei man damals um einen Spottbetrag alle Schönheiten dieser Erde sehen konnte, und wie man heute wie ein gefesselter Prometeus an die Scholle geschmiedet, kaum, daß man sich, mit vielen Unannehmlichkeiten verbunden, über die nächste Landesgrenze wagen darf. Ich hatte noch Glück, vor Ausbruch des schrecklichsten aller Kriege, nach Nervi an die italienische Riviera zu gehen, wo ich mich zwar nur 16 Tage aufhielt, aber sehr schöne Meeresbrandungen machen konnte, die wie Ragusa, mir noch immer reichlich Stoff geboten haben. Von dort fuhr ich die
Küstenorte ab, hielt mich einige Tage in Monte Carlo auf, ebenso in Nizza und ging Ende April über Marseille nach Paris, wohin es mich schon seit Jahrzehnten ganz gewaltig zog, da ich ja von dort gewesenen Kollegen so viel Rühmenswertes darüber gehört. Ich wollte endlich dieses Eldorado der Kunst sehen, wo alles Erreichbare an Vollkommenheit Unübertreffliche im Louvre gesammelt war. Ich hatte gerade durch Maler Ernst, einem Wiener, der aber schon 40 Jahre in Paris lebte, die Gelegenheit bekommen dort auszustellen, und war ich durch meinen "Christus, die Mühseligen und Beladenen" im Salon vertreten, wo ich auch einen Mittelplatz bekam. Ein modern gehaltener Herbstabend von 2m Größe wurde nicht genommen, obwohl ich in beiden Salons von 8000 Bildern, keines von solcher Kraft und Farbe gesehen, vielleicht gerade deshalb. Hier erging es mir ähnlich wie seinerzeit in Venedig, Nürnberg und Rom, wo meine Phantasie durch das viele Gehörte und Gelesene darüber sich die höchsten Vorstellungen machte. Es mag wohl sein, daß ich als gereifter Mann dorthin kam und in den letzten 10 Jahren so viel gelernt hatte, daß mir nur wenig, vielleicht 5% gerade noch gut waren, um länger dabei verweilen zu können. So sah ich viel weibliche Akte, auf was ja anfangs bei jedem das ernstliche Studium einsetzt, die aber gewöhnlich Studien blieben, und nur selten als handelnde, und richtig in die Landschaft gestellt wurden.  Deshalb kam mir auch noch in Paris die Idee, für den Salon ein Bild zu malen, das den Menschen mit der Natur in Einklang bringt und es entstand mein "Adam und Eva", welches aber durch die nun entstandenen Verhältnisse wohl kaum so bald dorthin gelangen dürfte. Ansonsten fand ich Paris nicht als das Eldorado wie es meine Phantasie träumte. Wohl steht der Louvre einzig da, mit den schönsten Perlen der Renaissance gefüllt, aber die Moderne hat mich in manchem enttäuscht, besonders .. ....... Er erscheint mir auch einer von jenen, die sich zu geben und zu machen verstanden, wie es überall solche gibt. Noch mehr scheint mir Henner überschätzt zu werden.
Für viele meiner Wiener Kollegen hat Paris einen sehr nachteiligen Einfluß gehabt, indem es die hiesige bodenständige Note verdrängte, und eine fremde, zumeist unverstandene, weil aber modern, eine unpersönliche, heimbrachten. Nur ein charakterfester, ganz Starker kann sich überall das Beste herausholen, er muß aber was Eigenes schaffen. Hier fühle ich mich gedrängt auch manche psychologische Studie, die ich bei Kollegen, wie ganzen Vereinen beobachten konnte, festzuhalten. Ich werde zwar nichts Neues damit bringen, denn es war immer so, und wird auch noch in Zukunft so bleiben, so lange nicht die Menschen zu starken gefestigten Charakteren erzogen werden, in welchen Kraft, Adel, Gemeinsinn (Einer für Alle und Alle für Einen) und die alles verbindende, ausgleichende Liebe zur ganzen Umwelt in höchster Potenz gesteigert, sich vereinigt.
Wir müssen zur gründlichen Erkenntnis unserer Psyche kommen, daß diese, wie in der Materie, sich alles zueinander in bestimmte gesetzliche Beziehungen stellt, die alle unsere Handlungen aufs genaueste beinflussen, und wodurch wir erkennen, daß jeder Affekt, ja daß schon der Gedanke seine Wellen aussendet und die entsprechende Gegenwirkung erzeugt, durch die wir selbst wieder getroffen werden. Wird nicht selbst ein Löwe durch den furchtlosen, energischen Blick eines Mannes in Bann gehalten?
Nun so kommt alles auf den guten Willen an, denn Wille erzeugt Gedanken und diese sind Kraft.

Eduard KASPARIDES